Innsbruck Informiert

Jg.2021

/ Nr.6

- S.7

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Lebensraum Innsbruck

Die Gefährdungsmeldungen beim Amt für Kinder- und
Jugendhilfe haben im Vorjahr signifikant zugenommen.
Dies ist mitunter auch eine Folge der Corona-Pandemie.

D

ie Erziehung und Begleitung von
Kindern und Jugendlichen ist für
Eltern eine der größten Herausforderungen im Leben. Familien können
dabei aus unterschiedlichen Gründen an
ihre Grenzen stoßen. Hinzu kommt, dass
die Anforderungen an Familien in den
vergangenen Jahrzehnten durch Veränderungen im Berufsleben und in der Gesellschaft stark gestiegen sind. Die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt vermittelt
und unterstützt fachlich in vielfältiger
Weise und versteht sich als Hilfsangebot
bei allen Arten familiärer Problemlagen.

Psychosoziale Belastungen
Die Covid-19-Pandemie und die ab Mitte März 2020 zu deren Eindämmung verhängten Maßnahmen haben sichtbare
Folgen auf zahlreiche Lebens- und Gesellschaftsbereiche. Auch die Kinderund Jugendhilfe ist davon betroffen. So
ist durch die Einschränkungen eine deut-

HER

„Jene Familien, die vor besonderen
Schwierigkeiten stehen, sind eingeladen,
sich an das Amt für Kinder- und Jugendhilfe zu wenden und Beratung und Hilfe in
Anspruch zu nehmen.“

© C. FORC

12

liche Zunahme von psychosozialen Belastungen und Problemen in Familien zu
beobachten. Dies zeigen vor allem die
steigenden Zahlen in Bezug auf die Gefährdungsabklärungen auf Basis der Meldungen, die im Vorjahr bei der Kinder- und
Jugendhilfe im Stadtmagistrat eingegangen sind. Gefährdungsmeldungen sind
Mitteilungen von Personen oder Organisationen an die zuständige Kinder- und
Jugendhilfe über den Verdacht, dass Eltern mit der Versorgung ihres Kindes/ihrer
Kinder überfordert sind oder ihr Kind/ihre
Kinder vernachlässigen, misshandeln oder
missbrauchen.
„Die bei Familien durch die Corona-Krise
entstandenen wirtschaftlichen Sorgen,
der geringe psychische Ausgleich durch
sportliche Betätigung oder fehlende soziale Kontakte: All das sind Ursachen, die
zu extremen Belastungen und Spannungen für Eltern und deren Kinder während
der Pandemie führten. Durch die lange

Vizebürgermeister Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc

INNSBRUCK INFORMIERT

Das Ziel der städtischen Kinderund Jugendhilfe ist es, Familien
im Alltag zu unterstützen.

© SHUTTERSTOCK.COM

Wie stark hat Corona
die Familien belastet?

Belastungsfaktoren

Zeit der Überforderung kann sich die Lage
zu Hause aufschaukeln und so ein gewaltgeprägtes Erziehungsverhalten durch die
Eltern entstehen“, betont der für Soziales
verantwortliche Vizebürgermeister Ing.
Mag. Johannes Anzengruber, BSc.

Die gestiegenen Zahlen im Jahr 2020 erlauben einen Rückschluss auf die unterschiedlichen familiären Belastungen und Ängste, die durch die Pandemie
noch verschärft wurden. „Die Überforderung der Eltern kann sich dabei auf den
Erziehungsstil wie auch auf die angewandten Erziehungsmethoden gegenüber den Kindern auswirken. Durch das
Coronavirus sind Familienmitglieder auf
engem Raum über einen längeren Zeitraum zusammen. Gerade in solchen Mo-

menten, wegen fehlender Ausweichmöglichkeiten, da Familienangehörige
nicht arbeiten oder Kinder nicht in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen
gehen, kann es vermehrt zu innerfamiliären Konfliktsituationen kommen“,
weiß Amtsleiter Mag. Raphael Hölbling.
Vor allem in der jüngsten Vergangenheit
haben sich die Bedingungen für häusliche Gewalt wegen der lang andauernden
Ausnahmesituation erhöht. Auch weitere Ursachen wie finanzielle Probleme,
Arbeitsplatzunsicherheit oder geringer

bis gar kein Kontakt mit FreundInnen
sowohl bei Kindern als auch Eltern verstärken zu Hauße maßgeblich den psychischen Druck.
Menschen, die Gewalt anwenden, haben
mit überdurchschnittlicher Häufigkeit
selbst Gewalt in der Familie erlebt. Dadurch steigt das Risiko, den eigenen Kindern gegenüber gewalttätig zu werden,
erheblich an. So kann unter Umständen
ein Kreislauf von Gewalt entstehen, der
letztlich als Symptom einer belastenden
Lebenssituation zu verstehen ist. MF

Gefährdung gestiegen
Im vergangenen Jahr – mit Beginn der
Corona-Pandemie – verzeichnete die
Jahresstatistik rund 1.200 Gefährdungsmeldungen. Dies bedeutet einen Anstieg
im Vergleich zu 2019 von knapp 37 Prozent (2019: 880 Meldungen). Jede eingehende Meldung wird durch fachkundige
SozialarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Vier-Augen-Prinzip
überprüft. Die meisten Gefährdungsmeldungen im Jahr 2020 wurden von der Polizei (354 Mal) sowie von Personen die
keiner Meldungspflicht unterliegen, wie
NachbarInnen, anderen Verwandten,
FreundInnen, einem Elternteil oder anonym eingebracht (321 Mal). Hingegen gab
es bei Schulen nur eine leichte Erhöhung
von zehn Prozent und bei Kindergärten
sogar einen Rückgang der Meldungen
von ca. 40 Prozent. Grund dafür könnte
der Wegfall von Unterstützungssystemen
und die daraus resultierende Unterbrechung von Kommunikationswegen sein,
etwa aufgrund der Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen.

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