Innsbruck Informiert
Jg.2022
/ Nr.3
- S.58
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Stadtgeschichte
Un-Sichtbarkeiten
Frauen*Geschichte im öffentlichen Raum
© VIOLETTA WAKOLBINGER
Autorin Petra Unger, MA
Begründerin der Wiener Frauenstadt*Spaziergänge
Stadtforscherin
S
ind herausragende Leistungen von
Frauen keine Erinnerung im öffentlichen Raum wert? Eine Frage,
die sich jede Frauengenerationen stellen
muss, angesichts der fehlenden Präsenz
von Frauengeschichte im öffentlichen
Raum.
Bestandsaufnahme
Als 1990 in Graz erstmals das Verhältnis
von Frauen und Männern bei Verkehrsflächenbenennungen erhoben wird, ist das
Ergebnis wenig erfreulich: Mehr Straßen
sind nach Pflanzen und Tieren benannt
als nach Frauen. In Innsbruck beziehen
sich 3,5 Prozent mit 22 von 625 Namen
auf Frauen. In Wien sind aktuell knapp
elf Prozent Frauen gewidmet. Angesichts
der Tatsache, dass Frauen mit einem Anteil von 50,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung die Mehrheit stellen, verweisen diese Beispiele auf eine beachtliche
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INNSBRUCK INFORMIERT
Schieflage in der sichtbaren Repräsentation. Es ist jedoch nicht nur die Geschichte der weiblichen Bevölkerung, deren Repräsentation im öffentlichen Raum fehlt.
Wären Straßennamen, Denkmäler und
Gedenktafeln ein Abbild der österreichischen Geschichte, so würde sie als Leistung einer kleinen, elitären Gruppe erscheinen: weiße, privilegierte, mächtige
Männer, die meisten von ihnen Politiker,
Künstler und Wissenschaftler, viele Vertreter des Militärs und Kriegsveteranen,
fast alle katholischer Prägung. Ein irreführendes Bild also.
Erinnerung von oben
Erinnerungskultur wird lange Zeit „von
oben“ gestaltet. Herrscher, Politiker und
vermögende Privilegierte verfügen im
Lauf der Geschichte über ausreichend
(Definitions-)Macht und finanzielle Mittel, um ihre Interpretation historischer
Ereignisse mit bleibenden Monumenten in der Öffentlichkeit zu inszenieren. Bewusst ausgewählte Erzählungen
werden öffentlich inszeniert - mit unvermeidlichen Ausblendungen. Politisch Andersdenkende, Andersgläubige
und Vertriebene kommen in den Symbolen des öffentlichen Raums lange Zeit
ebenso wenig vor wie Zugewanderte verschiedener Nationalitäten, Schwarze und
Minderheiten wie Roma und Sinti oder
Menschen mit Behinderung. Auch die
Mehrheit der Bäuerinnen und Bauern, Arbeiterinnen und Arbeiter findet ihre Geschichte kaum in Straßennamen wieder.
Es entsteht so im kollektiven öffentlichen Gedächtnis die Vorstellung all diese
Gruppen hätten an der Entwicklung der
Gesellschaften, der Orte, Städte und ihres Landes keinen nennenswerten Anteil.
Ihre historischen Leistungen bleiben unbenannt und ungesehen.