Innsbruck Informiert

Jg.2022

/ Nr.7

- S.22

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Stadtgeschichte
Der Kupferstich des Nürnbergers
Lorenz Strauch (1554–1630) zeigt
eine Ansicht von Innsbruck gegen
Südosten im Jahr 1614. Im Bereich
des Weidelandes im Vordergrund
befand sich das Köpfplatzl.

© TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM, W 22963

Die „Hexensach“
des Sebastian Auracher
Im Sommer 1722, vor genau 300 Jahren, wurde im Landgericht Sonnenburg
(Innsbruck) das letzte bisher bekannte Todesurteil wegen Hexerei in der
Grafschaft Tirol vollzogen. Der Hingerichtete war ein junger Mann.
von Hansjörg Rabanser

Z

u Beginn des 18. Jahrhunderts
steckte das Zeitalter der Aufklärung
noch in seinen Anfängen und der
Alltag sowie das Denken und Handeln der
Menschen wurde mitunter von ‚befremdlichen‘ Anschauungen bestimmt. So war der
Glaube an schädigende Zauberei und Hexerei nach wie vor präsent und das Delikt
wurde anhand theologischer und juristischer Richtlinien der Zeit beurteilt und geahndet. Nicht anders verhielt es sich in der
Grafschaft Tirol, wo in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mehrfach nach

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„Hexenpersonen“ gefahndet wurde. Vermutlich im Frühjahr 1719 wurde im Landund Stadtgericht Kufstein ein junger Mann
von 17 oder 18 Jahren festgenommen. Gegen Sebastian Auracher aus Kirchbichl lag
der Verdacht der Zauberei vor, weshalb er
durch das Gerichtsgremium mehreren Verhören unterzogen wurde. Da die Quellenlage zum Prozess nicht sonderlich umfangreich ist, können das Verfahren und die
Geständnisse nur bruchstückhaft rekonstruiert werden. Trotzdem lässt sich aus den
Unterlagen ableiten, dass Auracher schwer-

wiegende Vergehen eingestanden hatte: Er
habe sich mit Leib und Seele dem Teufel
verschrieben sowie Gott, Maria, die Heiligen und den Schutzengel verleugnet. Anschließend sei er zu den Treffen der Hexengesellschaft (Hexensabbat) gegangen, habe
Hostien geschändet sowie Kreuze und Heiligenbilder mit einer Geisel geschlagen und
auf diese Weise entehrt. Vermutlich dürfte Auracher auch einen eher „unsittlichen“
Lebenswandel geführt haben, denn das
Gericht holte bezüglich dessen Umgang
mit Frauen in einer Badestube in Hötting

sowie zu möglichen sexuellen Vergehen
Informationen ein. Außerdem denunzierte der Angeklagte einige weitere Personen als Komplizen. Unter diesen befand
sich der gleichaltrige Anton Andreas Kolb
aus Kufstein, der ebenfalls wegen Zauberei
festgenommen und im Kräuterhaus, dem
landesfürstlichen Gefängnis in Innsbruck,
inhaftiert wurde.

© TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM, FB 7087

Ansicht des Kräuterturms kurz vor
dessen Abbruch am 4. April 1890.
Ölgemälde von Dr. Hugo Tschurtschenthaler (1861–1929).

Langwieriger Prozess

Urteile und Hinrichtung

Während Aurachers Geständnisse ansatzweise bekannt sind, liegen über jene Kolbs
keinerlei Informationen vor. Der Verdacht,
dass zwischen den beiden jungen Männern
bezüglich Zauberei eine Verbindung bestehe, verhärtete sich für die Gerichte jedoch,
sodass die Behörden der Tiroler Regierung
eine Gegenüberstellung ins Auge fassten.
Also wurde Auracher von Kufstein nach
Innsbruck transferiert und im Kräuterhaus
festgesetzt, jedoch wohlweislich von Kolb
getrennt. Wie die Gegenüberstellung verlief und welche Erkenntnisse sie brachte,
ist anhand der bekannten Quellen nicht
festzustellen.
Das Verfahren zog sich zunehmend in die
Länge, da im Oktober 1719 nach angeblichen Komplizen in den Gerichten Landeck und Laudegg geforscht wurde, allerdings ohne Erfolg. Wenig gewinnbringend
war auch die Kontaktierung des Salzburger Hofrates im Juni 1720, wo man weitere Zauberbuben vermutete. Die Salzburger
Behörden konnten nicht weiterhelfen, bestätigten jedoch, dass Kolb in Salzburg die
Schule besucht, es aber nie Anlass zu Klagen gegeben habe. Da zeitgleich auch im
Hochstift Freising mehrere Zauberbuben
gefangengesetzt waren, schrieb die Tiroler
Regierung im September 1721 die Beamtenkollegen mit der Bitte um entsprechende Recherchen an. Doch auch die in Freising Inhaftierten konnten zu Auracher und
Kolb keine erhellenden Angaben liefern.

Nach zwei Jahren wurde der Prozess gegen Sebastian Auracher am 4. Juli 1722
durch ein Gerichtsurteil endlich beendet:
Wegen der begangenen „Venefici et Magiæ
[Zaubereien; Anm.]“ sah man ein Todesurteil für diesen vor. Der Angeklagte wurde vermutlich zwischen dem 4. und 9. Juli
zur Innsbrucker Richtstätte am sogenannten Köpfplatzl nahe der Kirche Mariahilf
(heute Mariahilf-Blöcke) geführt und dort
enthauptet und anschließend auf dem
Scheiterhaufen verbrannt. Die Verbrennungsreste wurden in der Folge in den Inn
gestreut. Die Ausführung oblag Marx Philipp Abrell († 1738), dem Henker von Hall.
Mit dem Urteilsspruch zu Anton Andreas Kolb, der am 29. August 1722 gefällt
wurde, fand auch dessen Prozess seinen
Schlusspunkt: Da diesem nicht dieselben
schweren Verbrechen angelastet werden

konnten, wurde von einer Todesstrafe abgesehen. Um ihm aber zu einem besseren
christlichen Lebenswandel zu verhelfen,
sollte er zur Unterweisung für einige Zeit in
das Kapuzinerkloster in Ried im Oberinntal gegeben werden. Nach der Besserung
drohte ihm der Einzug in die Armee.
Kritische Stimmen gegen Hexenprozesse hatten sich bereits in der Mitte des 17.
Jahrhunderts erhoben und sie sollten sich
zunehmend mehren. Dennoch kam es in
Europa noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu den letzten mehr oder weniger legalen Hexenprozessen. Die 1722 in
Innsbruck durchgeführte Hinrichtung stellte diesbezüglich für die Grafschaft Tirol den
Schlusspunkt dar.
[Eine ausführliche Darstellung des Prozesses ist für die Zeitschriftenreihe „Zeit – Raum
– Innsbruck“ des Innsbrucker Stadtarchivs
2023 vorgesehen.]

 










  


   


 







     

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