Innsbruck Informiert

Jg.2022

/ Nr.12

- S.42

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Stadtgeschichte

Tiroler Weihnachtskrippen
aus Frauenhand
Die Namen der Tiroler Bildhauer, die Weihnachtskrippen geschaffen haben,
sind bekannt. Es gibt jedoch auch Frauen in Tirol, die sich mit plastischen
Gestaltungen der Geschehnisse der Heiligen Nacht beschäftigen.
von Dr. Helmuth Oehler

Das Männermonopol? Bei Betrachtungen
in der Krippenabteilung im Tiroler Volkskunstmuseum erkennt man schnell, dass
es Männer waren, die das weihnachtliche
Geschehen in Miniatur gestalteten. In der
Abteilung gibt es derzeit nur ein einziges
Werk, das von einer Frau geschaffen wurde: Es handelt sich dabei um ein äußerst
reizvolles Transparentbild, das 1826 von
Julie Primisser kreiert wurde. Mit Öl auf
Pergament gemalt, zeigt es zwar die „Anbetung des Göttlichen Kindes durch die
Hirten“, kann aber nicht als Krippe bezeichnet werden: denn mit diesem Begriff
wird Dreidimensionales verbunden.

Das Weibliche. In den Depots des Volkskunstmuseums hingegen lassen sich
durchaus von Frauen geschaffene Weihnachtskrippen finden: Vor allem seit der
zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich verstärkt auch Tiroler
Bildhauerinnen mit Gestaltungen der Geburt Christi.
Das Wesentliche. So schnitzte aus Zirbenholz 1974 Ilse Giacomuzzi die Figuren einer Weihnachtskrippe. Diese zeichnen sich durch eine zarte, fast pastellige
Farbigkeit aus und lassen eine abstrahierende, teilweise kantige Formensprache
erkennen. Die Bildhauerin baute die Pro-

© TIROLER LANDESMUSEEN/VOLKSKUNSTMUSEUM, GERHARD WATZEK (3)

Reduziert: Ilse Giacomuzzi gestaltete 1974 diese
von allen Sentimentalitäten befreite Weihnachtskrippe. – Ilse Giacomuzzi
(Bozen 1931–2021 Innsbruck), Weihnachtskrippe,
1974, Zirbenholz, gefasst,
teilweise lasiert, Tiroler
Volkskunstmuseum.

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INNSBRUCK INFORMIERT

tagonisten aus verschiedenförmigen Kuben – und erinnert damit an Werke des
bedeutenden österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba. Die Gesichter bleiben
„anonym“, d. h. sie zeigen keine Physiognomien. Diese müssen daher gedanklich
ergänzt werden. Dadurch erreicht Giacomuzzi eine Aktualisierung des weihnachtlichen Geschehens im Augenblick
der Betrachtung. Statt Faltenschwünge
fällt expressiv Gezacktes beim Mantel des
hl. Josef ins Auge. Die Stimmung kann als
nüchtern beschrieben werden: „liebliche“
Details fehlen vollkommen.
Das Kapriziöse. 20 Jahre früher, 1953,
formte die damals 40-jährige Josephine (Fini) Platzer aus Ton delikate Krippenfiguren. Ihr weibliches Krippenvolk
ist stark dem traditionellen Frauenbild
der 1950er-Jahre verhaftet. Wie österreichische Filmproduktionen jener Jahre
(„Sissi“) verleiten Platzers Gestaltungen
wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs zu historischen Unklarheiten
auch in Tirol. Nach Auschwitz einfach wieder einen blondlockigen Knaben auf einer
blütenweißen Windel in den Schoß Mariens zu legen, erschien zumindest manchen Zeitgenossen Josephine Platzers als
„barbarisch“. Sie jedoch modellierte Figuren, die an das Rokoko erinnern und da-