Innsbrucker Stadtnachrichten
Jg.1988
/ Nr.11
- S.14
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AUS DER ARBEIT UNSERER UNIVERSITÄT — HEUTE: ZUSAMMENARBEIT IN DER FORSCHUNG
Den Wechselwirkungen der Körpersignale auf der Spur
Seit 1987 arbeitet eine Forschungsstelle der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck
Seit 1.1.1987 gibt es erstmals eine Einrichtung der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften in Tirol. Es handelt sich um die
Forschungsstelle für Immunendokrinologie der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, die in Verbindung mit dem Institut für
Allgemeine und Experimentelle Pathologie der Medizinischen Fakultät an der Universität Innsbruck eingerichtet wurde. Leiter der
Forschungsstelle ist Univ.-Prof. Dr. Georg Wick.
Was ist Immunendokrinologie?
Im allgemeinen beschäftigt sich
die Forschung heute an Instituten, Kliniken und anderen wissenschaftlichen
Einrichtungen
mit ganz bestimmten, umgrenzten Fachgebieten. Im biologischmedizinischen Bereich befaßten
sich beispielsweise die Neurologie
mit dem Nervensystem, die Immunologie mit dem Abwehrsystem, die Endokrinologie mit
dem Hormonsystem, die Physiologie mit der normalen Funktion
des Körpers, die Pathophysiologie mit den krankhaft veränderten Funktion, etc. Ganz ähnliche,
relativ scharfe Abgrenzungen
gibt es auch im Bereich der Geisteswissenschaften. Auf naturwissenschaftlich-medizinischem
Gebiet ist es jedoch in letzter Zeit
zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Fachgebieten gekommen und damit
auch zur Notwendigkeit, daß in
einer Arbeitsgruppe Experten
aus verschiedensten Gebieten
mitarbeiten müssen, damit Einblicke in die komplexen Lebensvorgänge im gesunden, aber auch
im kranken Organismus gewonnen werden können. Besonders
deutlich wird diese Entwicklung
im Rahmen von Untersuchungen, die die drei Kommunikationssysteme des menschlichen
und tierischen Körpers betreffen,
das Nervensystem, das Immunsystem und das Hormonsystem.
„Erinnerungsvermögen"
Diesen drei Systemen ist gemeinsam, daß sie die Fähigkeit haben,
körpereigene von körperfremden
Signalen zu unterscheiden, diese
zu verarbeiten und darauf in geeigneter Weise zu reagieren. Das
Nervensystem und das Immunsystem haben — im Gegensatz zum
Hormonsystem — dazu noch die
Fähigkeit, sich an solche Signale
später noch lange zu erinnern.
Beim Immunsystem äußert sich
dies z. B. dadurch, daß ein
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wie Allergien oder Abstoßungs- Institution, die diese Thematik
reaktionen von Organtransplan- von einer fachübergreifenden,
taten, durch Hormone, wie z. B. allgemein biologischen Warte beCortison. Ein anderes Beispiel trachtet. Da diese Wechselwirfür den Einfluß des Hormonsy- kungen einerseits sehr vielfältig
stems auf das Immunsystem ist und kompliziert sind und andedie Tatsache, daß Frauen wäh- rerseits die Möglichkeiten einer
rend der monatlichen Regel für solchen Forschungsstelle beMensch, der bereits einmal eine InInfektionen, z. B. Fieberblasen, grenzt sind, konzentrieren sich
fektionskrankheit durchgemacht
besonders empfindlich sind. Das die Arbeiten derzeit vor allem auf
hat oder gegen diese geimpft wureindrucksvollste Beispiel ist aber drei Fragestellungen und zwar:
de, also Kontakt mit einem „Sigdas Phänomen, daß schwangere a) Gentechnologische Untersunal" von außen (z. B. Bakterien,
Frauen ihr Kind neun Monate chungen der molekularen WirViren, Parasiten, etc.) hatte, bei
lang als eine Art „Transplantat kungsweise von Nebennierenrineinem zweiten Kontakt mit diesem
der Natur" in ihrem Körper traErreger viel schneller und besser
gen können, obwohl es ja zur Ich schalte im Stand meinen
reagiert und so gegen die Infektion
Hälfte die genetischen Eigen- Automotor ab. Und Sie? Ausgeschützt ist. Das Immunsystem
schaften des Vaters hat und die puffgase von Benzin- und Dieselerinnert" sich also an diesen
Mutter beispielsweise ein Haut- motoren belasten unsere Luft.
früheren Kontakt in Form einer
oder Nierentransplantat dieses Helfen Sie mit, die Luftqualität
Erstinfektion oder Impfung.
mit ihr nicht verwandten Vaters in Innsbruck zu verbessern.
Es ist auch dem Laien bekannt, sofort abstoßen würde; Frauen Es kommt auf jeden einzelnen an.
daß es zwischen den Nerven-, haben also — im Gegenteil zu
Immun- und Hormonsystem Männern — die Fähigkeit, durch denhormonen (z. B. Cortison) als
Wechselwirkungen gibt. Solche einen wahrscheinlich hormonei- entzündungshemmende und die
Wechselwirkungen werden auch len, bis jetzt aber noch nicht auf- Immunreaktion unterdrückende
schon seit langem therapeutisch geklärten Mechanismus, das Im- Substanzen
genützt, z. B. in Form der Be- munsystem davon abzuhalten,
handlung von überschießenden dieses „Transplantat der Natur" b) Aufklärung des Wirkungsmechanismus bestimmter Signale,
Reaktionen des Immunsystems, abzustoßen.
die vom Immunsystem ausgehen
und auf das Gehirn einwirken,
Überlebenswille stärkt das Immunsystem
von wo dann wiederum verstärAndererseits beeinflußt aber der Jugendlichen, die Base- kende oder abschwächende Beauch das Nervensystem bekann- dow"sche Erkrankung der Schild- fehle an das Immunsystem zutermaßen das Abwehrsystem. So drüse, Erkrankungen der Neben- rückgegeben werden.
ist der Überlebenswille eines Pa- nieren, etc. In jüngster Zeit konn- c) Herstellung von Eiweißkörtienten in vielen Fällen ein ganz te gezeigt werden, daß das pern in Zellkulturen (sogenannte
wesentlicher Faktor dafür, daß Immunsystem auch Signale aus- monoklonale Antikörper) die gedas Immunsystem mit einer sendet, die das Nervensystem gen bestimmte menschliche HorKrebserkrankung fertig wird. beeinflussen. So weiß man erst mone gerichtet sind, welche vor
Persönliche Erschütterungen — jetzt, daß eine von Zellen des Im- allem beim weiblichen Zyklus
wie der Tod eines nahen Angehö- munsystems produzierte Sub- und in der Schwangerschaft eine
rigen — sind mit vermehrter In- stanz auf bestimmte Zentren im Rolle spielen. Solche Reagenzien
fektionsanfälligkeit verbunden, Gehirn einwirkt und dort Fieber sind unter anderem für ein Pround viele Patienten mit Allergien auslöst. Die erhöhte Körpertem- gramm der Weltgesundheitsorgagegen Blütenstaub bestimmter peratur verbessert wiederum die nisation (WHO) zur EntwickBlumen fangen beispielsweise an Bedingungen für die Abwehr von lung eines „Impfstoffes gegen
Schwangerschaft" von Bedeuzu niesen, wenn sie nur ein Bild Infektionen.
tung.
von solchen Blumen sehen.
Auch vom Immunsystem gehen Fachübergreifende, nicht Der Entschluß der ÖsterreichiEinflüsse auf das Nervensystem nur medizinische Fragen schen Akademie der Wissenund das Hormonsystem aus. So Diese Aufgabe der Forschungs- schaften, erstmals eine solche
gibt es zahlreiche sogenannte stelle für Immunendokrinologie Forschungsstelle in Tirol aufzuAutoimmun- oder Selbstan- der Österreichischen Akademie bauen, bedeutet einerseits eine
griffskrankheiten, bei denen das der Wissenschaften in Innsbruck Anerkennung der in Innsbruck
Immunsystem in krankhafter besteht nun darin, Wechsel- auf diesem Gebiet bisher geleisteWeise körpereigene Zellen und wirkungen
zwischen
dem ten Arbeit, andererseits stellt die
Organe angreift und zerstört. Oft Immunsystem und dem endokri- Gründung einer international rehandelt es sich dabei um hormon- nen System aufzuklären. Dabei nommierten außeruniversitären
produzierende Drüsen, und Bei- geht es ausdrücklich nicht nur um Forschungseinrichtung
eine
spiele für solche Erkrankungen medizinische
Fragestellungen, Chance und Verpflichtung für die
sind etwa die Zuckerkrankheit sondern es handelt sich um eine Zukunft dar.
Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1988, Nr. 11