Innsbruck Informiert

Jg.2022

/ Nr.5

- S.30

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Bauernmarkt in der Innsbrucker Altstadt, 1982.

Alte Ansicht des Gutshofes
in der Reichenau.

Innsbruck, Stadt der Bauernhöfe
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts prägten Bauernhöfe das Stadtbild
von Innsbruck. Dieses gewohnte und alltägliche Bild hat sich aber in den
letzten Jahrzehnten massiv gewandelt.
von Michael Svehla

I

n unserer Alltagshektik vergessen wir
oft ganz, dass Innsbruck abseits vieler
anderer Reize und Vorzüge auch eine
Stadt der Bauernhöfe ist. Bei manchen
Stadtspaziergängen trifft man stellenweise noch unverhofft auf einige solcher landwirtschaftlicher Einrichtungen, wenn auch
immer seltener. Während nach dem Zweiten Weltkrieg in Innsbruck noch fast 600
Bauernhöfe aller Größen existierten, hat
diese Zahl in den letzten 70 Jahren rapide
abgenommen. Heute zählt das städtische
Amt für Gesundheit, Markt- und Veterinärwesen nur mehr an die 70 Bauernhöfe im
gesamten Stadtgebiet. Die meisten davon,
rund 60 Prozent, befinden sich in Arzl und
Hötting. Eigentlich keine Überraschung,

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denn sowohl die großteils erhaltene dörfliche Struktur als auch das viel langsamere
Voranschreiten neuer Wohnbauten haben
dort dafür gesorgt, dass die Bauernhöfe
nicht so schnell verdrängt wurden. Aber
auch in den anderen Stadtteilen findet sich
noch die eine oder andere Bäuerin bzw. der
eine oder andere Bauer: So gibt es jeweils
in Pradl, Saggen, Wilten, Igls und auf der
Hungerburg einen Bauernhof, in Kranebitten und Mentlberg/Sieglanger sind es zwei
Höfe, in Mühlau drei, in Amras und Vill stehen noch sieben bzw. acht Bauernhöfe.
Das Verschwinden vieler der einst prachtvollen Gebäude mit ihren umliegenden
Wiesen und Äckern hat seine Gründe im
starken und stetig fortschreitenden städ-

K (2)

INNSBRUC

tischen Hunger nach Wohnungen vor allem seit den 1960er-Jahren, im Weiteren
in der Notwendigkeit bzw. im Wunsch der
nachfolgenden Generationen, einen anderen Beruf zu erlernen, und schließlich
im heutigen Zwang, eine bestimmte Betriebsgröße zu erreichen, um wirtschaftlich überleben zu können. In Innsbruck
gibt es darüber hinaus noch eine Besonderheit: Mit dem Beginn des Autobahnbaus und der zugehörigen Anschlüsse ab
Mitte der 1960er-Jahre sowie dem Ausbau des Straßennetzes verlor hauptsächlich der Stadtteil Amras nicht nur eine
beträchtliche Anzahl seiner Bauernhöfe, sondern vor allem deren Bauern einen
Großteil ihrer Felder.

Vom Autobahnbau und
„Bauernopfern“
Welche „Bauernopfer“ im Rahmen dieser Verkehrsentwicklung erbracht werden mussten, kann man stellvertretend
für viele andere am Beispiel des Pircherbauern am nordöstlichen Rand von Amras sehen. Wer von den älteren Semestern kann sich noch daran erinnern, wo
dieser einst gestanden hatte? „Wenn man
vom Amraser Seewirt der Straße entlang
etliche hundert Schritte nordwärts ausgreift, sticht einem zur rechten Hand grad
am Weg ein schöner, stattlicher Bauernhof mit der Stirnseite direkt ins Auge“, so
kann man in einem Bericht der Innsbrucker Nachrichten vom 12. September 1942
darüber lesen. Der Hof stand einst nahe
an der heutigen Kreuzung Geyrstaße/Amraser-See-Straße. Der Zeitungsbericht beschwört schöne Bilder vor dem inneren
Auge herauf: „Der Stolz des Pircherbauern ist sein Stall. Schwer, stark und rund
stehen darin die zwölf Stückln, prächtige
Braunschecken, und ein Kalbl hängt außerdem am Strick. In einem Nebenstall
zeigt uns der Bauer zwei mächtig große Gäule und im Fackenstall wälzen sich
drei Kolosse, grunzend und quietschend,
im frischen Sagmehl.“ Und weiter: „Heute
gehören zum Pircherhof 6 ½ Hektar Wiesen, die sich beinahe von der Haustür weg

breiten, ein Hektar Acker und drei solcher
Maße Wald.“
Ein anderer stattlicher Hof, der sich einst
im Eigentum der Stadt Innsbruck befand, war der Gutshof in der Reichenau. Er
stand ziemlich genau dort, wo sich heute die Hochhäuser Reichenauerstraße 91,
93 und 95 befinden. Eine Broschüre des
Landesverkehrsamtes von 1929 vermittelt einen Eindruck von der Größe des Areals: „Das Landgut umfasst derzeit zirka
50 Hektar Talbesitz. Das Flächenausmaß
ändert sich von Jahr zu Jahr. Käufe und
Verkäufe, Tausch einzelner Grundstücke,
die Inanspruchnahme größerer Flächen
für Wohnbauten, Siedlungszwecke, Sportanlagen usw. bedingen alljährlich kleinere oder größere Änderungen im Ausmaße
der dem Hofe zur Verfügung stehenden
Gründe. Im Jahre 1925 war die Stadtge-

Bauern in der Stadt
Wer jetzt Lust darauf bekommen hat,
die bäuerliche Atmosphäre inmitten der
Stadt zu erspüren, kann sich entweder auf
Entdeckungsreise zu den noch bestehenden Höfen begeben oder eines der kommenden Wochenenden dazu benützen,
einen der zahlreichen Bauernmärkte zu
besuchen, die sich in den letzten Jahren
zu einem beliebten Publikumsmagneten
entwickelt haben. Dort kann man frische
und naturbelassene Produkte kaufen oder
einfach das Markttreiben beobachten und
genießen. Wer es ruhiger liebt, kann bei
manchen Bauern direkt am Hof frische
Milch und manchmal sogar Eier, Speck
und vieles mehr erwerben. Ein Besuch,
egal wo, lohnt sich auf alle Fälle.

Der Milchautomat
beim Stamserhof in der
Egerdach­straße, wo man
rund um die Uhr frische
Milch erwerben kann.

© MICHAEL SVEHLA

USEUM
HIV/STADTM
© STADTARC

meinde gezwungen, eine größere Fläche
für einen Flughafen bereitzustellen. Hierzu wurden zirka 15 Hektar unmittelbar
beim Hof gelegener Grundflächen herangezogen … Von dem gesamten Areal sind
ungefähr 10 Hektar infolge ihrer ungünstigen Beschaffenheit und der weiten Entfernung vom Hofe verpachtet. 15 Hektar
wurden für den Flughafen verwendet. Von
den noch verbleibenden 25 Hektar sind 10
Hektar mit Gras, 3 Hektar mit Silomais, je
2 ½ Hektar mit Roggen und Kartoffeln, 1 ½
Hektar mit Hafer und je 1 Hektar mit Gerste und Futterrüben bebaut. Die restlichen
4 Hektar sind Naturwiesen.“

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